ZDF und UHU

von anketroeder

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Im Grunde wiederhole ich hier nur, was die Kollegen Michael Gerharz und die Computermaler schon schrieben, als man sie bat, sich zum Thema faktendichte Präsentation zu äußern. Aber weil Michael mich bat, mich ebenfalls zu äußern …

Lassen Sie mich also wie gewohnt leise brummelnd noch einmal vor mich hin formulieren, was wir/Sie alle schon längst wissen oder doch ahnen. Sollten.

Wenn es um Faktendichte geht, geht es nicht so sehr um neue Formate oder Medien, obwohl es für Datenvisualisierung tausend feine Tools gibt. Besuchen Sie doch mal die See Conference, wenn Ihnen das Thema immer noch fremd ist.

Es ist letztlich piepsegal, womit Sie arbeiten: PowerPoint, Processing, Keynote, Flipchart. Zeichnen Sie mit einem Stöckchen im Sand oder live auf einem iPad. Hauptsache, es macht Sinn.

Tell me a story, sing me a song, in all likelihood I’ll tag along.

Hauptsache, Sie bringen es auf den Punkt. Hauptsache, Ihre Zahlen, Daten und Fakten (ZDF) erzählen eine halbwegs kohärente Geschichte. Hauptsache, wir kommen irgendwo an und bekommen etwas zu essen und eine Aussicht, die die gemeinsame Reise lohnt.

Zahlen sind ein Thema wie jedes andere auch.

  • Es geht um Spannungsbogen und Kundennutzen.
  • Es geht um Relevanz, Reduktion und Redundanz.
  • Es geht um Hörtext, Verständlichkeit, Klarheit, Transparenz.

Erst dann, sehr viel später, geht es um Formate und Medien.

Wissen allein schafft keine Veränderungen. Fakten allein bleiben nicht hängen.

Emotionen sind der Kleber um die Zahlen, Daten und Fakten.

TED’sche Tränendrüsenemotionen sind damit nicht gemeint.

Ich muss verstehen, was wichtig ist. Was die Datenpunkte bedeuten.

Ich muss verstehen, was genau das Problem ist, das Sie lösen.

Wie genau Sie gerade meine Welt retten. 

Ach, ich komme gar nicht vor in Ihrem Vortrag? Meine Welt wird gar nicht gerettet?

Ja, dann.

Wenn ich zuhören soll, muss ich aber verstehen, was relevant ist.

Ich muss verstehen, was für mich relevant ist.

Sonst komme ich nicht mit.

Sind wir schon bald da?

Welches ist der kürzeste Weg über Ihren Zahlenfriedhof?

Und gibt es hier irgendwo Licht?

Kommt sonst noch jemand mit außer den Motten?

Kann ich nicht lieber hier bleiben und mit den Fledermäusen spielen?

Come here, Kitty Kitty.

Es gibt viele Gründe, über Zahlen, Daten und Fakten zu reden. Zahlen, Daten und Fakten halten die Welt zusammen.

Es gibt keinen einzigen vernünftigen Grund, sie unverständlich zu präsentieren.

Vortrag ist Hörtext. Vortrag ist Radio.

Überlegen Sie (vorher) gut: Was muss Hörtext, was kann Print?

Unseren studentischen Gründern sage ich immer: Die Zahlen kommen in den Business Plan, die Magie in den Pitch.

Und selbst ein Business Plan passt auf eine Seite.

Unseren Masterabsolventen sage ich: Die Zahlen kommen in die Masterthesis,
die Magie in den öffentlichen 10-Minuten-Vortrag. 

Und auch 40 Minuten Kolloquium sind eigentlich schon viel zu lang.

Zeit tötet jeden Zauber.

Viele Vorträge müsste es gar nicht geben.

Ein Vortrag ist immer nur die Spitze eines Eisbergs.

Eine Präsentation ist immer nur ein Vorwand, Sie zu sehen.

Sind Sie Gründermaterial?

Warum reden Sie?

Könnten wir Ihre Ideen nicht auch lesen? In Ruhe? Beim Kaffee.

Und danach zusammen die Thematik diskutieren?

Warum wird überhaupt so viel geredet? Warum steht Vortrag immer noch an Platz 1 der Wissensvermittlung, obwohl wir längst wissen, dass es nicht sonderlich viel bringt?

Damit Coaches und Trainer und selbsternannte Gurus etwas verdienen?

Damit Academia sich weiter hinter abstrakten Wortungetümen und Wortmüllbergen verstecken kann?

Warum also reden wir?

  • Weil zehn Minuten dichter, spannender, relevanter Text so sind wie Game of Thrones, American Gods oder Fargo. Unaufhaltsam. Unwiderstehlich. An avalanche of love and terror.
  • Weil uns ein guter Vortrag an die Hand nimmt und mit in den dunklen Wald zieht: Komm mit! Ich zeig dir was. Weil das der einzige Plot ist, der wirklich zählt.
  • Weil guter Vortrag wach macht und hell und dankbar und einem die Hoffnung lässt, dass auch der nächste Vortrag so sein kann.
  • Weil wir neugierige Tiere sind. Wir lernen so verdammt gerne dazu.
  • Wenn ihr uns lasst.

Oh!

DING! DING! DING!

Oh …

Und wieder bekommen wir nur unleserliche Diagramme in lila und grün und genuschelten Text.

WieSiehiermalwiedernichtsehenkönnen …

Nö. Och nö. Bitte nicht schon wieder.

Wir sind Zwanzigfingerfaultiere. Was darüber hinaus geht an Zahlen, das begreifen wir nur schwer.

Besonders nicht im Vortrag.

Ich kann Sie nicht umblättern. Sie sind kein Buch. Sie reden nur wie eins.

Ich muss es mir vorstellen können.

Aber ich kann nicht. Sie lassen mich nicht.

Machen Sie Zahlen und harte Fakten greifbarer.

75% sind drei von vier.

Übersetzen Sie mir Ihre Daten.

Wie viele Leben kann Ihre App retten, weil das mit der Rettungsgasse von nun besser klappt? Klappen könnte?

In welchem Zeitraum?

Ihr Tortendiagramm ist ein Folie ohne Aussage.

2000 gerettete Leben in einem Jahr hingegen eine kleine Hoffnung.

Alles was Sie brauchen, sind vier Minuten.

Alles was ich brauche, sind drei Zahlen.

Warum dauert es so lange, bis Sie zum Punkt kommen? Möglicherweise denke ich schneller als Sie. Stellen Sie doch ein Video auf YouTube. Das kann ich vor- und zurückspulen.

Sie machen wirklich nie einen Punkt. Wie soll ich denn so einen Knoten machen ums Gehörte? Pausenlos verliert immer. Wo Sie atmen, da kann ich denken.

Was bedeutet das, was Sie mir da zeigen? Soll ich es mir merken? Dann machen Sie es mir merkwürdig! Das ist Ihr Job.

Warum soll ich es mir überhaupt merken? Haben Sie das überhaupt schon gesagt? 

Nein. Ich sehe nicht, was Sie sagen wollen.

Kann ich bitte ein Video dazu haben, eine Animation?

Verlasst euch nicht auf eure Bilder.

Bilder sind Schall und Rauch. Kein einziges sagt mehr als hundert Worte, wenn der Kontext fehlt.

Aber Bilder erzeugen doch Emotionen.

Ja. Schon.

Worte aber auch.

Dazu wurden sie erfunden. Das Wort ist das bessere Bild.

Jedes Wort eine Welt.

Eure Bilder bleiben stumm, wenn ihr sie nicht erklären könnt.

Ihr müsst uns erklären, was wir sehen sollen, damit wir es begreifen können.

Mit wem reden Sie eigentlich?

Mit der Presse? Dann buchstabieren Sie am besten alles schön langsam, damit man Sie nicht falsch zitiert. Presse ist auch nicht mehr immer das, was sie mal war. 

Fangen Sie damit an, womit alle etwas anfangen können. 

Konkret. Echt, jetzt.

Fangen Sie dort an, wo schon alle sind. Auf der untersten Stufe der didaktischen Treppe.

Reden Sie zu Fachkollegen?

Dann können Sie elegant ein paar Stufen der didaktischen Treppe überspringen.

Oder auch mehr.

Bitte lassen Sie das mit den Diagrammen! Im Ernst. Auch wenn wir alle glauben, wir verstehen Ihre Grafik, nicken wir sie vermutlich doch nur ab. Lassen Sie mal einen Test schreiben nach Ihrem Vortrag. Wir werden alle durchfallen.

Sie möglicherweise auch.

Ihre Medien sind Nebensache. Ehrenwort. Leben Sie damit. 

Wir können ganz hervorragend damit leben.

Solange Ihre gesprochene Aussage klar ist, konkret und transparent.

Visualisation is storytelling in the dark.

Malen Sie bewegte Bilder in meinen Kopf und geben Sie mir ein Handout mit oder eine URL. Machen Sie mich neugierig, aber nicht satt.

Daten brauchen Emotionen. Sagte ich das schon? Aber sicher doch. Ganz am Anfang, da, wo es hingehört. Das Wichtige gehört nämlich an den Anfang.

Ach so.

Ach so!, muss ich sagen können, bei jeder neuen Stufe der didaktischen Treppe. Ach so!

Das bedeutet nicht großes Hollywood-Gefühls-Drama.

Ganz im Gegenteil.

Die Zeit für große Gefühle ist längst vorbei. Es gibt Bilder, die wir nicht mehr sehen können, weil sie lügen. 

I am not your poster child.

Reden Sie Klartext.

Und lassen Sie bitte, bitte jemanden auf Ihre Grafiken schauen.

Ordnen Sie Zahlen und Daten ein.

Geben Sie uns Kontext.

Schreiben Sie Wichtiges an und auf. Nicht alles ist gleich wichtig.

Lassen Sie alles Unwichtige weg.  

Reduce to the max.

Fangen Sie konkret an, mit einem Szenario oder Beispiel. Worum geht es? Welches Problem lösen Sie? Und für wen? Und wie? Und warum erst jetzt?

Be your own expert excerpt.

Ab da können wir abstrahieren. Ab da komme ich mit.

Ach so!

Ich soll konkreter werden? Na gut.

Schritt zurück: Weitwinkel. – Problem, Vision. 

Schritt vor: Langsam heranzoomen. – Lösung, Methode.

Ach so!

Was ist wichtig für mich? Wissen Sie das überhaupt? Haben Sie sich das gefragt? Haben Sie mich das eigentlich gefragt?

Was ist nur wichtig für Sie?

Zahlen haben ihre eigene Magie. 

Ersticken Sie diese Magie nicht in Kreidestaub.

Verzaubern, nicht verkaufen. Erklären, nicht dozieren.

Dann klappt es auch mit dem Vortrag.

Dann hören wir auch zu.

Dann bleibt auch was hängen.

Dann fragen wir auch nach.

Dann wollen wir auch mehr wissen.

Dann googeln wir auch später, was das Zeugs hält. Oder schon jetzt gleich.

Alles andere ist vergeudete Zeit. Für beide Seiten.

Und nein: Prezi macht nichts besser. Nicht alles, was sich bewegt, ist gut. Auch wenn die von Prezi gesponserten Studien das gerne so aussehen lassen.

Spielen Sie lieber gerne und ausgiebig mit Apple’s Keynote und Magic Move. Morphen Sie in PowerPoint. Fragen Sie den Assistenten oder die Praktikantin, ob sie sich mit After Effects auskennen oder einem 3-D-Programm. Bezahlen Sie eine talentierte Gestalterin für ein Explainer Video. Gehen Sie nicht über Fiver.

Vergessen Sie das mit den Infopostern. Aber lesen Sie doch mal nach, was eine gute Infografik so ausmacht. Da sind Sie schon ziemlich dicht dran an guten Folien.

Und wenn Sie kein Geld haben für gute Folien: Denken Sie einfach mal nach.

Denken ist ziemlich ok und hauchzart unterschätzt.

Meistens merkt man nämlich selber sehr schnell, dass man die Folien 1, 4, 7, 8, 9, 13, 15, 16, 22, 24, 25 ff. gar nicht braucht.

Dieser Text braucht keine Folien. Er braucht nur eine Aussage.

Und sagen Sie bitte nie mehr: »Ich als Akademiker …«

Das macht nichts besser.

Die staubtrockene Wissenschaft sind Sie. Granted.

Ihr Text aber muss fliegen und atmen dürfen.

Sonst ist er totes Anschauungsmaterial.

Zahlen, Daten, Fakten, and all.

 Let’s make some magic.