Spannend
Ich treffe Gastgeber und Gastredner im Aufzug, wir plaudern höflich, es sind acht Stockwerke, die wir überbrücken müssen. Ich werde vorgestellt als die, die ich bin. Die Dozentin, die sich in alles mit Präsentationen einmischt. – Genau. Das ist mein Job.
4. Stock: »Ich mache dann erst Mal den Pflichtanteil, die PowerPoint, wie ich es immer mache mit Kunden, die mich nicht kennen. Muss man ja heute. Frage & Antwort finde ich ja spannender.«
Ich auch, alle, jeder, und ich habe Angst vor dem, was kommt. Dem, was immer kommt, wenn einer tut, was er glaubt tun zu müssen, statt das zu tun, was dem Thema dient. Ich mache den schnellsten Elevator-Pitch meines Lebens für gute Vorträge, ich habe nur noch ein Stockwerk: »Wollen wir dann nicht lieber nur Frage und Antwort? Das ist ja …«
Aber es ist zu spät.
Pling, macht der Aufzug. Wir sind da.
Und dann ist es, wie es immer ist. Der PPT-Teil ist kleinteilig, detaillastig, faktenlastig. Wir haben noch keinen Kontext und sollen uns schon für die Geschichte des Unternehmens und Kommastellen von Zahlen interessieren. Einer spricht mehr zu seinen Folien als zu den Gästen am langen Tisch. Es ist zu hell, zu warm, zu viel.
Der Cognitive Load wiegt zenterschwer. Mein Herz auch.
Ich stehe abseits, im Schatten einer Tür und halte mich an meiner Kamera fest; so fest ich kann, damit mein Blick nicht entgleist. Ich will nicht unhöflich sein. Aber ich bin so traurig. Und so zornig. Und so entsetzlich müde.
Ich möchte aufstehen und ihm die Folien wegnehmen. Diese Folien mit den tausend Informationen. Später werde ich lernen, dass dies schon die entkernte Fassung war.
Nicht entkernt genug.
Die Blicke der anderen Gäste werden gläsern und schwer. Sie sind höflich und müde. Nach dem Vortrag gibt es etwas zu essen. Diese Vision hilft.
30 endlose Minuten. Hundert gefühlte Stunden. Am Schluss noch ein kurzes Video, das alles zum Absturz bringt, weil es falsch eingebunden ist und sich nicht mit der Fernbedienung starten lässt, dann aber, als es endlich läuft, alles sagt, was man über dieses Unternehmen wissen muss.
Das Video wäre der bessere Vortrag gewesen. Der richtige Vortrag.
Mehr hätten wir nicht gebraucht.
Und dann kommt Frage & Antwort. Und alles verändert sich.
Der Redner wird zum Geschichtenerzähler, er plaudert, aus dem Leben, aus der Arbeit, er erzählt Anekdoten, er bringt uns zum Lachen, zum Nachfragen, zum Nachdenken, er erzählt wie das ist, mit den Mitarbeitern, ohne die die Firma ja nicht, wie das geht, mit Motivation und Verbundenheit mit einem Unternehmen, mit sozialer und ökologischer Verantwortung, mit Vorschriften und Vorgaben, mit Großzügigkeit, die an Paragraphen scheitert, wir sind hellwach und mögen vielleicht am Ende das Produkt nicht und die Branche auch nicht, aber wir mögen die Geschichten und finden den Menschen spannend und vergessen ganz langsam, wie es vorhin noch war.
Die Geschichten werden bleiben. Die Erinnerung an einen Menschen, einen Abend. Die Fakten auf den Folien nicht. – Es ist immer so.
Präsentieren bedeutet, mit Menschen zu sprechen.